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Anhörung im Landtag Sachsen-Anhalt

von

Am Mittwoch, dem 18.03.2015, fand im Landtag von Sachsen-Anhalt eine Anhörung zur Novellierung des Bestattungsgesetzes statt.
Die Bestatterinnung Sachsen-Anhalt hat in einem Redebeitrag ihre Positionen dazu dargestellt:

Werte Frau Vorsitzende, werte Abgeordnete!

Als Obermeister der Bestatterinnung Sachsen-Anhalt spreche ich für rund 80 Bestattungsinstitute. Wir lehnen den Gesetzesentwurf von Bündnis 90/ Die Grünen ab, ebenso erscheint und der Antrag der Fraktion der Linken unnötig.

Wir sind der Meinung, das Sachsen-Anhalt ein sehr gutes Bestattungsgesetz besitzt.

  1. Zur Forderung der Linken nach einer ersten Leichenschau durch Fachärzte der Rechtsmedizin. Schon jetzt gibt es zum Teil einen Ärztemangel, die Angehörigen würden Stunden auf die Ausstellung des Totenscheins warten, ehe ein Rechtsmediziner vor Ort wäre. Das jetzige Gesetz fordert die zweite Leichenschau durch Rechtsmediziner bzw Pathologen und ist damit ausreichend. Auch der Totenschein erfüllt nach unser Meinung alle Voraussetzungen, hier  gibt es aber oft Defizite beim Ausfüllen durch die Ärzteschaft, die im Rahmen von Weiterbildungen beseitigt werden können.
  2. Die LINKE schlägt vor, die Bestattungspflicht auf Lebenspartnerschaften zu erweitern. Wir würden dies begrüßen, wenn es sich um eingetragene Lebenspartnerschaften handelt. Eigentlich ist dies bereits im Lebenspartnerschaftsgesetz definiert, es wäre also nur eine Sache der Vollständigkeit bzw. Eindeutigkeit des bestehenden Gesetzes.
  3. Eine Veränderung der Bestattungsfristen, z. B. 24 Stunden erscheint nicht ratsam. Von der Möglichkeit des Scheintods einmal abgesehen, scheitert dies dann daran, dass die Behörden aufgrund der Öffnungszeiten nicht erreichbar sind und außerdem notwendige Unterlagen besorgt werden müssen. Dort wo die Verkürzung der Bestattungsfrist aus religiösen Gründen geboten, können Ausnahmen erteilt werden, die im bestehenden Gesetz bereits vorgesehen sind.
  4. Einige Gedanken zur Aufhebung des Friedhofszwangs: Die Beisetzung auf privaten Grundstücken ist eine persönlich/rechtliche Angelegenheit. In der Verwandtschaft sind sich die Angehörigen oftmals nicht einig, dadurch würde ein Teil keine Möglichkeit, keinen Ort zum Trauern erhalten, was zu Streitigkeiten und Problemen führt. Friedhof ist auch ein Kulturgut, welches durch solche Dinge in Frage gestellt wird. Vielen würde es doch eher um eine kostengünstige Entsorgung gehen, als darum, den Verstorbenen bzw. die Asche bei sich zu haben. Wenn es zu einer solchen Gesetzesänderung kommt, müsste eine Treuhand eingerichtet werden, die sich um die Entsorgung der Urne kümmert, wenn die Liegefrist bzw. Ruhefrist abgelaufen ist. Wir als Bestatterinnung lehnen die Aufhebung des Friedhofszwanges ab.
  5. An uns, als Leute aus der Praxis, ist jedenfalls schon oft die Nachfrage nach einer Flussbestattung gekommen. Dies könnte eine Möglichkeit sein, die sich aber mit den Umweltschutzvorschriften widerspricht. (27.Bundesemmissionsschutzverordnung zum Umgang mit den Filterstäuben aus den Krematorien)
  6. Die würdevolle und individuelle Bestattung von Fehlgeburten, wie es die LINKE fordert, ist im bestehenden Gesetz nach unserer Meinung ausreichend geregelt, und wird von den Krankenhäusern bereits praktiziert.
  7. Wir unterstützen den Vorschlag von Bündnis90/Die Grünen, wonach Friedhofsträger in der Satzung bzw. Friedhofsordnung festlegen können, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind. Dies muss nicht Bestandteil eines neuen Gesetzes sein. Der vorliegende Entwurf verlagert die Kontrolle dieser Forderung jedoch zu den Steinmetz (kleine Privatunternehmen). Wie soll ein Handwerker dies kontrollieren können, wenn staatliche Stellen dazu offenbar nicht in der Lage sind.
  8. Wenn es Bündnis90/ Die Grünen um die sarglose Bestattung und Tuchbestattung geht, muss man sich einmal vor Augen halten, dass es auf dieser Welt noch viele Religionsgemeinschaften gibt. Wie wollen wir es mit den 250000 Buddhisten, welche in Deutschland leben, halten, wollen wir den 100000 Hindus die direkte Verbrennung der Verstorbenen am Fluss ermöglichen oder gar sibirische Höckergräber oder ein Vorwerfen vor die Geier erlauben. Ausnahmeregelungen werden immer weitere Ausnahmen auf den Plan rufen. Wir lehnen die sarglose Bestattung aus mehreren Gründen ab. Da Befragungen immer in Mode sind, haben wir unsere Mitglieder befragt, und 50 Bestattungsunternehmen aus Sachsen-Anhalt haben geantwortet, wie oft in den letzten 25 Jahren nach einer Tuchbestattung verlangt wurde. Antwort: ein einziges Mal, der Verstorbene wurde später exhumiert und in sein Heimatland überführt.

Begründung:

Die Bestatterinnung Sachsen-Anhalt hat keinen Hinweis darauf, dass die israelitischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt auf eine sarglose Bestattung ihrer Mitglieder hinarbeiten.

Schließlich ist die vollständige Auflösung des Leichnams nach der Bestattung wesentlicher Bestandteil der jüdischen Glaubensvorstellungen (Erde zu Erde, Staub zu Staub…), weshalb gerade die Gewährleistung der vollständigen Verwesung des Leichnams im Interesse der jüdischen Gemeinden liegen sollte.

Darüber hinaus ist nach unserer Kenntnis des jüdischen Bestattungsritus der Sarg ein integraler Bestandteil der Bestattung, da in allen uns bekannten religiösen Vorschriften im Judentum ein für alle gleicher, schmuckloser Sarg gefordert wird.

Allenfalls in Bezug auf die Kostenfrage können wir uns vorstellen, dass Personen aus dem Umfeld der jüdischen Gemeinden ein Interesse an der sarglosen Bestattung haben könnten.

Die Aufgabe des Sargzwanges würde nur denjenigen einen Vorteil verschaffen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen (finanziellen) Möglichkeiten für die Beerdigung ihrer Angehörigen selbst aufkommen müssen.

Demgegenüber stünde jedoch die Benachteiligung all jener, die nicht Juden sind – der überwiegende Teil der Bevölkerung Sachsen-Anhalts – und ebenfalls selbst für die Bestattung – egal ob Erd- oder Feuerbestattung – ihrer Angehörigen sorgen müssen, weil sie  keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII haben; es sei denn, der Vorschlag zur Gesetzesänderung der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ginge soweit, dass entsprechend dem Gleichheitsprinzip im Grundgesetz der Sargzwang generell abgeschafft werden soll.

Dann müsste der Gesetzgeber auch dafür Sorge tragen, dass auch Feuerbestattungen ohne Sarg in Sachsen-Anhalt möglich werden und zumindest einen Teil der gegenwärtig betriebenen Feuerbestattungsanlagen durch andere Einäscherungsöfen ersetzen lassen.

Da wir bereits auf die Funktion des Sarges als schützender Raum, in dem sich die ungestörte Verwesung des Leichnams vollzieht, hingewiesen haben, wollen wir hier auch die Folgen einer Unterbrechung der Autolyse zu bedenken geben.

Wird die Verwesung des Leichnams unterbrochen, etwa durch Luftabschluss infolge eindringenden Wassers, so bilden sich Fettwachse, die in der Folge die Verwesung soweit verzögern – oder ganz verhindern – dass die auf deutschen Friedhöfen üblichen Ruhefristen (in Sachsen-Anhalt bis zu 30 Jahren) nicht mehr eingehalten werden können.

Am Gleichheitsprinzip muss die Aufhebung des Sargzwanges (für eine kleine Personengruppe) scheitern, sofern davon ausgegangen wird, dass muslimische Verstorbene auf öffentlichen Friedhöfen in Sachsen-Anhalt beerdigt werden sollen.

Wir glauben, dass es sich als nicht haltbar herausstellen wird, wenn eine – gemessen an der Gesamtbevölkerung – (religiöse) Minderheit, wie es die Muslime (noch!) sind, bevorteilt wird, indem sie – und ausschließlich sie – so wie es der Gesetzentwurf vorsieht, ohne Sarg beerdigt werden dürfen, während alle einheimischen Verstorbenen im Sarg beerdigt oder feuerbestattet werden müssen.

Darüber hinaus haben auch die Muslime die Vorstellung, dass der Leichnam im Grab vollständig vergeht und deswegen in ihren angestammten Siedlungsgebieten die Variante des Nischengrabes entwickelt – um, so den in unserem Kulturkreis üblicherweise verwendeten Sarg zu ersetzen.

Ganz abgesehen davon, dass die Anlage von unterirdischen Nischengräbern auf deutschen Friedhöfen an den Sicherheitsvorschriften der Berufsgenossenschaften scheitern wird, macht die Verwendung der für die Anlage solcher Nischengräber notwendigen Menge an Schnittholz diese Variante weder kostengünstiger noch umweltfreundlicher.

Nach unseren Erkenntnissen geht es denjenigen, die Bestattung von Muslimen ohne Sarg in einem Leichentuch präferieren, nur darum, die Kosten für den Sarg einzusparen.

Religiöse Hintergründe dazu haben sich uns nicht offenbart, sondern ist vielmehr Ausdruck der in der alten Heimat praktizierten Form der Beerdigung.

Die sarglose Beerdigung in der Levante ist nach unserer Einschätzung eher dem Fehlen von ausreichend Holz für die Sargherstellung an sich, als auch dem Fehlen geeigneter handwerklicher Fertigkeiten geschuldet – was beides in Sachsen-Anhalt in ausreichendem Maß vorhanden ist. Die sarglose Bestattung wird also nur von einem kleinen Teil des Islam in den arabischen Wüstenstaaten praktiziert.

Etwas Anderes wäre es, wenn es in dem vorliegenden Gesetzentwurf darum ginge, muslimische Bestattungen ohne Sarg auf Friedhöfen zuzulassen, die muslimischen Trägern gehören. Solche gibt es jedoch in Sachsen-Anhalt nicht.

Anders als bei den jüdischen Friedhöfen, die in der Vergangenheit von Jüdischen Gemeinden käuflich erworben wurden, kennen wir keine muslimische Vereinigung, die Willens oder in der Lage wäre, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen, um eine oder auch mehrere Flächen zu erwerben, um darauf einen Friedhof zu errichten.

Dazu müssten die Muslime zuallererst sich selbst so organisieren, dass sie eine den christlichen Kirchen- oder jüdischen Gemeinden vergleichbare Struktur entwickeln, um als eine Körperschaft öffentlichen Rechts einen (oder auch mehrere Friedhöfe) betreiben zu können.

Demzufolge müsste die Formulierung in einer künftigen Änderung des Bestattungsgesetzes von Sachsen-Anhalt  so lauten, dass auf konfessionellen Friedhöfen die Bestattung auch ohne Sarg möglich wird, wenn der Friedhofsträger dies zulässt und die entsprechenden hygienischen Voraussetzungen schafft, die wiederum durch die zuständigen Gesundheitsämter permanent überprüft werden.

Dazu gehört dann aber auch, dass ein solcher Friedhof entsprechend geschultes Personal beschäftigt, das in der Lage ist, Beerdigungen ohne Sarg durchzuführen.

Da wir hier von muslimischen Bestattungen sprechen, müssen dies auch muslimische Beschäftigte sein, denn Nicht-Muslimen ist es nicht gestattet, Kontakt zum rituell gewaschenen und für die Bestattung vorbereiteten Leichnam zu haben – sprich ihn zu berühren.

Ein Problem, welches bei der Bestattung im Sarg überhaupt nicht auftritt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, ein neues Bestattungsgesetz ist nicht nötig, allenfalls ein paar Ergänzungen.

Vielmehr wäre es schön, wenn sich unsere Politiker darüber Gedanken machen würden, wie man beispielsweise die Ausgabe von Sozialleistungen für Bestattungen vereinheitlicht, so dass den wirklich Bedürftigen ohne zusätzliche Schikanen geholfen wird. In Sachsen-Anhalt  hat jeder Landkreis eigene Formulare entwickelt, die auszufüllen sind. (umfang 6 bis 16 Seiten, eine bis 5 Unterschriften...)

Bestatterinnung Sachsen-Anhalt,
Obermeister Wolfgang Ruland